CO2 reduzieren und wettbewerbsfähig bleiben

Kompensieren Sie noch oder haben Sie den CO2-Verbrauch Ihrer Produktionsprozesse bereits im Blick? Sie können Ihre CO2-Bilanz verbessern – vorausgesetzt Sie wissen, wo Sie ansetzen müssen. Im Interview: Professor Nico Hanenkamp von der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. 

Ist die deutsche Industrie ein Umweltsünder? 
Grundsätzlich entstehen in der Industrie CO2-Emissionen in erheblichem Ausmaß. Wenn das Ziel ist, CO2.-neutral zu produzieren, dann müssen die Unternehmen hier kontinuierlich besser werden. Die Emissionen sind immer noch zu noch, da ist einiges zu tun. 
Was treibt die Unternehmen zum Handeln – gesetzliche Regelungen, gesellschaftlicher Druck oder die Aussicht, Ressourcen zu sparen?  Das ist häufig sehr individuell. In der Vergangenheit war das, wenn überhaupt, monetär orientiert. Das heißt, von jeder CO2-Reduzierung in Produktionsprozessen versprachen sich Unternehmen auch ein wirtschaftliches Potenzial. Damit stoßen sie aber irgendwann an eine gläserne Decke und erreichen eine Sättigung. Auf der anderen Seite nimmt der gesellschaftliche Druck aktuell von verschiedenen Seiten zu – der Druck kommt von den Verbrauchern, aber auch von der Industrie selbst. In der Autoindustrie wird zunehmend propagiert, dass Zulieferer keinen Auftrag mehr bekommen, wenn sie nicht CO2-neutral produzieren. Das haben einige Automobilkonzerne prominent in Szene gesetzt und ich denke, dass dieser Trend auch in anderen Industrien ankommen wird. Dann stellt sich nicht mehr die Frage, ob man CO2 reduziert, es muss reduziert werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. 

Was bedeutet eigentlich CO2-neutral zu produzieren?
Es bedeutet, dass in industriellen Prozessen keine klimaschädlichen Emissionen entstehen. Es gibt im Moment aber keine einheitliche Definition. 

Wie können Unternehmen CO2-Neutralität erreichen?
Zum einen indem sie selbst regenerative Energien nutzen und so negative Emissionen verursachen. Ein anderer Weg ist, die Prozesse selbst CO2-ärmer zu gestalten, beispielsweise indem ein Bauteil an der Luft getrocknet wird statt bei hohen Temperaturen. Das dauert zwar länger, spart aber CO2. Als drittes kann man den eigenen CO2-Verbrauch noch durch Maßnahmen außerhalb der eigenen Produktion kompensieren – beispielsweise durch Aufforstung in einer anderen Region. 

Ist Kompensation der einfachste Weg für Unternehmen? 
Es gibt einige Firmen, die propagiert haben bereits ab 2020 / 2022 CO2-neutral zu sein. Das ist sicherlich auch so, wobei die Neutralität dann zum großen Teil durch diese Kompensation erreicht wird. Das ist sicherlich der kurzfristig leichteste Weg, ist aber langfristig auch sehr teuer. Je weiter wir in die Zukunft schauen, desto teurer wird die CO2-Bepreisung werden. Der Druck intern etwas zu tun, etwa auf CO2-ärmere Technologien umzusteigen, wird damit nur in die Zukunft verlagert. Das kann, wenn überhaupt nur eine kurzfristige Antwort sein.

Sie haben ein Daten-Modell für Manufacturing Analytics entwickelt. Wie hilft das Modell, CO2-Emissionen zu reduzieren? 
Unser Modell kommt als Add-on zur betrieblichen Anwendung hinzu. Gibt es in der Fabrik ein ERP-System, dann weiß ich ja genau, welche Rohstoffe heute in die Produktion geflossen sind, wie viel Energie verbraucht wurde und was am Ende produziert worden ist. Das Daten- und Mengengerüst ist also bereits vorhanden. Reichere ich dieses ERP-System nun um ein CO2-Footprinting an, sehe ich, wie viel CO2 beispielsweise in welcher Schicht oder in welcher Stunde emittiert wurde. Dadurch werden Schwankungen und Trends deutlich. Ich kann es außerdem nutzen, um in die Zukunft zu planen – wie viel CO2 werde ich in zwei Jahren emittiert haben. Die Systeme, die bisher zur Bilanzierung genutzt werden, also im Umweltmanagement oder in Nachhaltigkeits-Berichten, liefern in der Regel Daten über die Emissionen größerer Zeiträume wie ein Jahr. Daran kann ich weder Abweichungen erkennen noch sehen, wovon der Verbrauch tatsächlich abhängt.

Wie ist der Entwicklungsstand Ihres Modells? 
Ende 2022 werden wir vermutlich einen Prototypen haben. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen brauchen hier eine einfache und pragmatische Lösung.

Mehr von Nico Hanenkamp lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von Fabriksoftware 1/2021 im Beitrag: Manufacturing Analytics für die CO2-neutrale Produktion