Das beste Pferd im Stall
Der Fabriksoftware-Kongress ging in die zweite Runde

Hanna Teuer

Beginnen wir mit einem Rätsel: Sie ist zunehmend unverzichtbar, trotzdem oft noch unterschätzt, ihr Promi-Status ist noch in Arbeit, doch trägt ein Kongress bereits ihren Namen. Gemeint ist – die Fabriksoftware. Für den Wertschöpfungsprozess eines Unternehmens ist sie von enormer Relevanz; in Zeiten der Digitalisierung mehr denn je. Sie ist das beste Pferd im Stall, wer nicht auf sie setzt, verliert das Rennen, es jubelt der Buchmacher.

Wir haben diese zukunftsweisenden und entscheidenen Softwarelösungen im Bereich der Fabriksoftware am 20. März ausgezeichnet. Wir, das sind das Forschungs- und Anwendungszentrum Industrie 4.0 und die Fachzeitschrift Fabriksoftware. Zum zweiten Mal kamen in Frankfurt Anwender aus Produktionsunternehmen, Wissenschaftler und Softwareentwickler für den zweitägigen Fabriksoftware-Kongress 2019 zusammen, um ihre Lösungen zu präsentieren. Und die Gewinner sind: GTT Gesellschaft für Technologie Transfer (in der Kategorie Visualisierung), Contact Software (Internet of Things), software4production (MES) und PSI Automotive & Industry (Komplettlösungen). „Alle Finalisten sind hervorragende Beispiele für erfolgreiche Lösungen rund um die smarte Fabrik“, so Norbert Gronau, Jury-Vorsitzender Professor vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Prozesse und Systeme, an der Universität Potsdam. „Aber diese vier Preisträger stechen hervor, weil es ihnen im besonderen Maße gelungen ist, den Kundennutzen ihrer Lösungsangebote herauszustellen“. Für die Gewinner selbst ist die Auszeichnung eine Bestätigung, die Zeichen der technologischen Zeit richtig zu deuten.


Von der Bewerbung auf das Siegertreppchen 

Der Wettbewerb Fabriksoftware des Jahres erfolgt in zwei Stufen, ein Verfahren, das sich bewährt hat. Zunächst bewerben die Unternehmen sich schriftlich und stellen ihre Software anhand von sechs festgelegten Kriterien vor. Dazu beantworten sie unter anderem, welcher konkrete Nutzen sich für die Kunden ergibt, wie die Lösung in bestehende Softwarekonzepte integriert werden kann, ebenso wie etwaige Kooperationen, die mit Forschungseinrichtungen bestehen. Die Bewerbungsunterlagen werden dann von den Jury-Mitgliedern gesichtet und bewertet. 

Im Rahmen des Fabriksoftware-Kongresses 2019 stellten die Finalisten schließlich ihre Software dem Publikum vor und sich selbst der Jury, die noch einmal gezielt nachhakte. Die finale Punktzahl errechnete sich durch den Mittelwert aus der schriftlichen Bewerbung sowie der Bewertung des Vortrags. Daraus wurden die Sieger der verschiedenen Kategorien ermittelt:

Friedhelm Nyhuis, Geschäftsführer,
GTT Gesellschaft für Technologie Transfer mbH

GTT Gesellschaft für Technologie Transfer (in der Kategorie Visualisierung): Zur Visualisierung komplexer Zusammenhänge in der Produktion hat die Gesellschaft für Technologie Transfer zahlreiche interne und externe Datenquellen auf einer Plattform zusammengefasst, um Anwender so stets einen transparenten Überblick über das Fertigungsgeschehen zu gewähren. Bei der Entwicklung des Systems hat GTT eine Vielzahl von Forschungsprojekten genutzt, um die Praxistauglichkeit des Systems früh zu testen und unter Beweis zu stellen. Mit durchschnittlich neun Punkten bewertete die Jury den Kundennutzen besonders hoch. 

GTT hat sich als Softwareanbieter und Beratungsunternehmen  erstmals an einem derartigen Wettbewerb beteiligt, weil unsere Spezialgebiete Visualisierung und Analyse produktionslogistischer Prozesse im Umfeld von Industrie 4.0 sowie Manufacturing Execution System (MES) und Advanced Planning and Scheduling (APS) differenziert als Wettbewerbskategorie ausgeschrieben waren. Außerdem versprach die Auswahl der Juroren eine fachkompetente und objektive Bewertung. Wir haben im Rahmen des Wettbewerbs aus dem Kreis der Teilnehmer und Juroren wertvolle Anregungen für Weiterentwicklungen bekommen und werden unseren Wettbewerbserfolg für das künftige Marketing unserer Produkte nutzen.

Einar Albrecht, Partner Account Manager
International Sales & Partner Management, CONTACT Software

Contact Software (in der Kategorie Internet of Things): Die kurze Implementierungszeit beim Kunden, die eine schnelle Verfügbarkeit der IoT-Plattform erlaubt, ist eine der herausragenden Eigenschaften des Lösungsangebots von Contact Software. Dabei zeichnet sich die Plattform für Industrie 4.0-Anwendungen durch hohe Durchgängigkeit bei der Interoperabilität und leichte Integrierbarkeit in vorhandenen Strukturen (Brownfield-Ansatz) aus. Besonders beeindruckte die Jury der Multi-Channel-Ansatz bei der Plattformtauglichkeit.

Die Auszeichnung ist ein Riesenlob an unser Team. Wir freuen uns sehr zum zweiten Mal in Folge im starken Feld der IoT-Plattformen gewonnen zu haben. Auf der diesjährigen Hannover Messe gab es viele positive Rückmeldungen zu unserem CONTACT Elements for IoT-Portfolio.

software4production (in der Kategorie Manufacturing Execution System): Die MES-Lösung macht das Geschehen auf dem Shopfloor durchgängig und in Entzeit transparent. Bei der Implementierung des Systems werden bereits vorhandene Plattformen sehr gut genutzt. Besonders überzeugte die Jury, die zweimal die Höchstnote von zehn Punkten vergab, die Echtzeit-Lokalisierung von Waren (RTLS), die bei der Präsentation live gezeigt wurde.

Prof. Dr.-Ing. Joachim Berlak,
Geschäftsführer (rechts),  software4production GmbH

Den Preis „Fabriksoftware des Jahres“ in der Kategorie MES zu gewinnen, ist für uns natürlich ein Ritterschlag. Wer hätte das schon vor 10 Jahren gedacht, als wir mit service-orientierter Java-Technologie als Newcomer in den MES/APS-Markt gestartet sind. Aber dies zahlt sich für unsere Kunde und uns heute aus, da wir so kundenindividuelle, wandlungsfähige und intuitive Echtzeitlösungen für schnelle, flexible und wettbewerbsfähige Fabriken realisieren können.

PSI Automotive & Industry (in der Kategorie Komplettlösungen): Mit der Höchstpunktzahl aller Finalisten (Gesamtwertung 865,2 Punkte) bewertete die Jury die Komplettlösung von PSI, deren Einsatznutzen an einem durchgängigen, umfassend dargestellten Lösungsbeispiel anschaulich dargelegt werden konnte. Dabei wurde am Beispiel der Deutschen Bahn auch der Brownfield-Ansatz, also die Integration in bestehende Infrastrukturen, vorgestellt. Die Jury beeindruckte auch, die flexible Gestaltung und Orchestrierung von Funktionen und Prozessen zu einer individuellen Anwendung.

Die Auszeichnung zur „Fabriksoftware des Jahres“ in der Kategorie Komplettlösung ist für uns deshalb so besonders, weil wir unsere Kompetenz über den gesamten Bereich von ERP bis MES unter Beweis stellen konnten. Unsere Bestrebungen, eine agile und wandlungsfähige Gesamtlösung zur Verfügung zu stellen, wurden bestätigt. Wir freuen uns sehr und sehen den Erfolg als Ansporn, unsere Lösung stetig weiterzuentwickeln.

Dr. Herbert Hadler, Geschäftsführer,
PSI Automotive & Industry GmbH

Wohin geht die technologische Reise?

In seiner Keynote auf dem Fachkongress machte Professor Norbert Gronau auf sechs wesentliche Strömungen aufmerksam in der Reihenfolge ihres Impacts auf die anstehenden Projekte der kommenden Monate: Internet der Dinge als wichtigsten Aspekt, gefolgt von künstlicher Intelligenz, kollaborativer Robotik, Realtime Big Data, virtueller Realität beziehungsweise augmented Reality und schließlich der Wandel der Geschäftsprozesse in Richtung einer Plattform-Ökonomie. Dabei werden aus Business-to-Business-Beziehungen (B2B) tiefer gestaffelte Wertschöpfungsketten, die auch den Konsumenten als Kunden des Kunden miteinbeziehen (B2B2C). So wird der Einsatz von Systemen für virtual oder augmented Reality immer konkreter. Gronau lieferte mit seinem Einführungsvortrag einen Rundumschlag, der in weiteren Themenblöcken vertieft wurde. So sprach Angelo Bindi vom MES D.A.CH. e.V. über die Chancen, die eine vernetzte Fabriksoftware mit sich bringt und über Anforderungen an die Systemarchitektur von ME-Systemen der Zukunft. Dr. Olaf Sauer vom Fraunhofer IOSB wiederum betrachte die künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in der Fabrik und reicherte den Theorieteil durch Beispiele aus der Praxis an. Um den Nutzen von Shopfloor Execution Systemen in der diskreten Produktion kümmerte sich dann Enrico Franz von der Elabo GmbH. Die Frage, wie sicher Produktionsdaten in der Cloud sind, stellte sich Dr.-Ing. Sander Lass vom Forschungs- und Anwendungszentrum Industrie 4.0. In seinem Vortrag ging es darum, wie neue Geschäftsmodelle in der Wertschöpfungskette sicher gestaltet werden können. Wie Industrie 4.0 durch Systemkopplungen realisiert werden kann, beantwortete Sören Rose von der Inray Industriesoftware GmbH, während Professor Joachim Berlak, Geschäftsführer der software4production GmbH, ein Echtzeit-MES in der digitalen Fabrik demonstrierte und zukünftige Herausforderungen thematisierte. Über die Blockchain, ein essentielles Schlagwort der Gegenwart, sprach schließlich Dominik Lenarczyk von der ubrich GmbH und weissagte, warum  immutable logs die Produktion verändern werden. So gingen die beiden Tage des Fabriksoftware-Kongresses 2019 im Nu vorüber – mit vier ausgezeichneten Gewinnern und regem Austausch und Diskussion. Zwei Tage in denen das beste Pferd im Stall erneut gestriegelt und für die nächsten Rennen gesattelt wurde. Denn die Buchmacher lassen wir nicht mehr gewinnen!